Am Freitag dem 3. Juli 2020 veröffentlichte die Berliner Disco Bizarre Crew "Free Love Vol. 1", ein Album voller Originale - im typischen funky Gewand. Seit 2018 betreut Disco Bizarre den Kellerfloor im KitKatClub bei den Carneball Bizarre-Partys in jeder Samstagnacht. Über die Jahre hat sich die Crew immer mehr ausgeweitet, einen Pool mit Berliner Resident-DJs aufgebaut und 2019 sogar eine eigene Platte herausgebracht. Nun ist es an der Zeit das Mutterschiff Kitty mit voller Kraft zu unterstützen, und zwar mit der ersten Kitty-Compilation ever - es folgen noch mehr! Viel Spaß mit 12 original Disco Tracks, allesamt produziert von Talenten aus dem Disco Bizarre Netzwerk. Die gesamte Compilation kostet so viel wie ein Clubeintritt, alle Erlöse gehen direkt an das Kitty. Kostenlos in die einzelnen Tracks reinhören und mehr zu den verschiedenen Künstlern des Albums: klick den Link!
Orakelte das Maiheft 2020 der Siegessäule, des schwullesbischen Berliner Stadtmagazins, noch düster, ob dies auf Grund der Corona-Krise vielleicht die allerletzte Ausgabe sei, so verkündet die Juniausgabe jetzt stolz „We Will Survive!" und teilt auch das überwältigende Ergebnis einer entsprechenden Crowdfunding-Kampagne mit. In nur sechs Wochen kamen bis zum 20. Mai schon weit über 100.000 Euro von über 1000 Spendern zusammen und Mitte Juni 2020 ist sogar das zweite Spendenziel von 150.000 Euro in greifbare Nähe gerückt, da bis dahin etwas über 1700 Spender über 147.000 Euro gespendet haben. Die Existenz dieser queeren Institution ist damit bis auf weiteres erst mal gesichert!„Auch wenn die Juniausgabe wegen andauernder Schließung unserer Orte erneut ohne einen Programmteil erscheinen muss, hat sie inhaltlich jede Menge zu bieten! Neben Hintergründen und Zahlen unserer gelungenen Spendenkampagne haben wir einen Schwerpunkt auf die anstehende Pride-Season gelegt: Was genau passiert beim ersten digitalen Global Pride am 27. Juni? Wie ist die Lage für LGBTI* in Polen, gerade jetzt in der Corona-Krise? Wie sinnvoll ist ein CSD im Netz überhaupt und was hat es mit der ebenfalls für den 27. Juni angemeldeten Pride-Demo „Berlin Pride: Save our Community, Save our Pride" auf sich?" (Siegessäule-Text)Weitere Themen der Juniausgabe sind u.a. eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation queerer Clubs und Bars in Berlin, ein Interview mit Kultursenator Klaus Lederer über die generelle Lage der queeren Berliner Community, eine Untersuchung der Folgen des Social Distancing im privaten Leben (in der Titelstory „Auf Abstand"), ein Bericht über die Situation an den Theatern oder über das neue Video-on-Demand-Angebot des queeren Filmverleihs Salzgeber. Der Link führt zunächst zu einem Eintrag im KitKat-Pressespiegel, zu dem jetzt noch das mittlerweile online veröffentlichte Interview mit Klaus Lederer, ein Link zu zwei neueren Artikeln über die Pride-Demo am 27. Juni sowie ein Interview auf queer.de mit dem Geschäftsführer des Salzgeber-Filmverleihs über die Auswirkungen der Corona-Krise auf das queere Kino hinzugefügt wurden.
Die am 20. Mai 2020 veröffentlichte aktuelle Ausgabe Nr. 177 der Schlagzeilen, des zweimonatlich erscheinenden BDSM-Magazins, setzt in ihrer Titelgeschichte das Schwerpunktthema aus Heft 175 zur Problematik von toxischen Beziehungen fort. Sowohl das Vorwort von Mitherausgeberin Geli als auch ein Forumsbeitrag drehen sich um die anhaltende Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die SM-Szene. (Man beachte das Titelbild!) Teil 2 der Fortsetzungsgeschichte „Die Diva" ist abgedruckt, die im letzten Heft Nr. 176 begonnen wurde, während eine Kolumne eine „Einführung in den sinnlichen Kapitalismus" bietet und fragt: „Warum hatten Frauen früher keinen Bock auf Sex?"Das Magazin wird wie immer ergänzt und abgerundet von Buchbesprechungen, erotischen Kurzgeschichten, heißen Bildern, Gruppen, Terminen, Adressen, Comics, Kontaktanzeigen und ähnlichem mehr. Der Link führt zunächst nur zu einer Inhaltsübersicht.
„Leona, du hast bereits mehrere Artikel über BDSM verfasst. Auch dein Debütroman „Der Defekt" verhandelt dieses Thema. Warum ist es dir so wichtig, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren?"Leona Stahlmann: „Für mich ist es wichtig, dass alle Spielarten der Liebe und der Sexualität abgebildet werden dürfen. Es gibt viel Literatur zu Homosexualität, und inzwischen wird auch ein bisschen zu Asexualität und Transsexualität geschrieben. Auch da stimmt das Gleichgewicht noch lange nicht, doch BDSM wird komplett totgeschwiegen. Es ist so wahnsinnig schwierig zu thematisieren, weil man sofort in eine Ecke mit harter Pornografie oder weichgewaschenen, antifeministischen Softpornos à la „Fifty Shades of Grey" gestellt wird. Damit hat mein Roman aber rein gar nichts zu tun. Ich wollte mich mit den weichen Instrumenten der Poesie einem Gegenstand nähern, der auf den ersten Blick hart und verschüchternd wirkt."(Aus einem Interview von März 2020 mit der Schriftstellerin Leona Stahlmann auf kulturnews.de zu ihrem Roman „Der Defekt", der im Februar im Verlag Kein & Aber erschienen ist. 272 Seiten, 22,00 Euro für die gebundene Ausgabe, 17,99 Euro für die Kindle-Version.)
„Yesterday. Love was such an easy game to play..."Der erfolglose junge Musiker Jack wird von einem Bus angefahren und just im selben Moment fällt auf der ganzen Welt für 12 Sekunden der Strom aus. Überraschenderweise kennt danach kein einziger Mensch mehr die Lieder der Beatles - bis auf Jack! Als er dieses unglaubliche Geschehen realisiert, fängt er an, die Songs der Fab Four als seine eigenen auszugeben, was aber auch für sein Liebesleben nicht ohne Folgen bleibt...Der neue Film von Regisseur Danny Boyle, dem Schöpfer von 'Trainspotting' und 'Slumdog Millionär', ist nicht nur ein großer Spaß sondern hinterfragt auch auf so spielerische wie ironisch-fantastische Weise die kollektiven Mechanismen der Erinnerung bzw. unseres kulturellen Gedächtnisses. Der titelgebende Welthit 'Yesterday' handelt bekanntlich von einer zerbrochenen Liebe, wurde im Laufe der Zeit aber auch eine Art musikalischer Beschwörung für das nostalgische aber trügerische Gefühl, daß früher generell alles besser gewesen sei. Die „zerbrochene Liebe" steht dabei in aller Regel für den Verlust der sagenhaften Welt der Kindheit und Jugend, so sie denn von Geborgenheit und Urvertrauen geprägt war. Wer andere und traumatische Erfahrungen gemacht hat, besitzt dagegen einen grundlegend anderen Blick auf seine individuelle wie auch auf die kollektive Geschichte.Schon letzten November auf DVD und Blu-ray erschienen. Der Link führt zunächst in den KitKat-Pressespiegel, in dem jetzt eine Rezension zu 'Yesterday' und auch drei Artikel über das 50jährige Jubiläum der Trennung der Beatles am 10. April 2020 ergänzt wurden und wie es dazu gekommen war.PS: Außerdem hinzugefügt wurde ein Link zum Nachspiel-Livestream von DJ CooN auf KitKatClub.TV vom 19. April 2020. In seinem Set brachte er einen Remix des Beatles-Songs 'Eleanor Rigby', ab ca. 22:40 min., der geradezu als idealtypisches Beispiel für eine gelungene Bearbeitung eines Pop-Klassikers gelten kann! Das Original wird mit wenigen zentralen Zeilen und der Melodie zitiert und so die traurig-süße Grundstimmung des Liedes eingefangen. Gleichzeitig macht der unterlegte hypnotische Beat den Song tanzbar und katapultiert ihn in den Kosmos der zeitgenössischen elektronischen Musik, verstärkt dadurch und durch die mantraartigen Wiederholungssequenzen sogar noch die euphorisch-melancholische Energie der Kernbotschaft, als perfekte Verschmelzung von Tradition und Gegenwart bzw. Wiederbelebung einer zeitlosen Essenz: „All the lonely people, where do they all come from? All the lonely people, where do they all belong?..."
„Wir sitzen in der Falle und wollen es nicht wahrhaben. Unsere politischen Konzepte sind zum Scheitern verurteilt. Wir werden da nur herauskommen, wenn wir bei uns selbst und unseren Neugeborenen anfangen. So lautet die radikale Aussage des Psychotherapeuten und Naturforschers Wilhelm Reich."Deutschlandfunk Kultur wiederholte am 18. April 2020 ein Radiofeature von Dezember 2018 über den österreichischen Psychoanalytiker und Sexualforscher Wilhelm Reich (1897-1957). Autor: Christian Wilhelm Find, Hörfunkautor, Sprecher, Klangkünstler und Gründer mehrerer trans*tonaler Hörfestivals. Länge: knapp 52 Minuten.
„Schräges Schulfernsehen für Erwachsene: Professor Schnauzbart liefert wissenschaftliche Erklärungen für kuriose Alltagsphänomene. In dieser Folge: Was passiert bei einer Erektion? Der Penis ist ein komplexes System, das Daniel Düsentrieb nicht besser erfunden hätte." (Arte-Text) Animierter und witziger Aufklärungsclip aus der Arte-Reihe 'Wer nicht fragt, stirbt dumm!', nur rund drei Minuten lang, klick den Link! PS: Wilhelm Reich unterschied übrigens immer zwischen der rein körperlich-genitalen Potenz, die sich eben in einer bloßen Erektion manifestiert und der sogenannten „orgastischen Potenz", die nur die wenigsten bzw. nur „ungepanzerte" Menschen besässen: „Orgastische Potenz: Im wesentlichen die Fähigkeit zur vollständigen Hingabe an die unwillkürliche Konvulsion des Organismus und zur vollständigen Entladung der sexuellen Erregung auf dem Höhepunkt des Sexualakts. Sie fehlt immer bei Neurotikern. Sie setzt den genitalen Charakter voraus, also das Fehlen der pathologischen charakterlichen und muskulären Panzerung. Das Konzept ist weitgehend unbekannt. Orgastische Potenz wird meist nicht von erektiver und ejakulativer Potenz unterschieden, die jedoch beide nur Vorbedingung orgastischer Potenz sind." (Wikipedia)
„Anleitungen für japanische Bondage gibt es im Internet massenhaft, doch ohne grundlegende Vorkenntnisse bleibt es ein Gefriemel. Auch die Umsetzung eigener Ideen erweist sich ohne die richtigen Seile, Knoten und Techniken als schwierig und ist mit etwas Pech sogar gesundheitsschädigend. Seit unserer Teilnahme an einem Workshop können wir uns beim Fesseln nun einfach dem Vergnügen hingeben. (...)" Ein Erfahrungsbericht in der bereits im September 2019 erschienenen Ausgabe Nr. 22 des Erotikmagazins 'Separée' gewährt Einblicke in einen Bondageworkshop mit 'Schlagzeilen'-Herausgeber Matthias Grimme und seiner Partnerin Nicole. Weitere Artikel der Ausgabe beschäftigen sich u.a. mit den Themen Body-Positivity, sexueller Mißbrauch oder größere Altersunterschiede in einer Beziehung. Die Themen der Anfang Dezember erschienenen aktuellen Ausgabe Nr. 23 sind dagegen die Verwirklichung einer Dreier-Fantasie, Sexsucht, nachhaltige Dessous und vieles weitere mehr. Der Link führt zunächst in den KitKat-Pressespiegel zu einem Interview aus Heft 22 mit den Machern der BDSM-Doku 'The Artist and the Pervert'.
„Die Welt muss poetisiert werden!" Das forderten die Romantiker Ende des 18. Jahrhunderts. Was sagen Lyrikerinnen und Lyriker heute zu diesem Absolutheitsanspruch der Poesie? Und was bedeutet ihnen die Romantik für ihr eigenes Werk?"Ein knapp 27minütiger Beitrag auf Deutschlandfunk Kultur von Ende August 2019 erinnerte an die Frühromantiker um 1800, an Novalis alias Friedrich von Hardenberg und sein Symbol der Blauen Blume (aus seinem Roman 'Heinrich von Ofterdingen') und läßt zeitgenössische Lyriker von heute über ihr Verständnis von Romantik zu Wort kommen. Friedrich Schlegel formulierte den programmatischen Anspruch der romantischen Bewegung im Jahr 1798 so:„Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen."
Die „Disco Bizarre", Party in der Party jede Samstagnacht in Raum 4, im Kellergewölbe des KitKatClubs, wird Plattenlabel! Am 17. Januar 2020 erscheint ihr erstes Vinyl-Baby mit insgesamt vier Songs des New Yorker DJs Son Of Lee, die Stücke sind aber auch via Streaming oder als High-quality Download verfügbar:„Four blazing Disco Edits venturing deep into American and Asian Disco by Son Of Lee from Brooklyn. He played a seamless DJ set for Disco Bizarre at KitKatClub Berlin in November 2019 and ever since we wanted to release some of his material... What a great opportunity to start up our new label, venturing deep into Italo, Disco, HiNRG and all the bizarre stuff in between!"Vorbestellungen für die Record/Vinyl-Version: 9,99 Euro, für das Digital-Album: 4,99 Euro. Alle vier Songs sind bereits jetzt schon im Netz freigeschaltet, klick den Link!UPDATE zur Record-Releaseparty in der Nacht vom 1. zum 2. Februar im KitKat: „Danke an alle, die unser frisch gegründetes Label so supporten! Natürlich darf eine Releaseparty in unserer Homebase nicht fehlen, weswegen wir am 1. Februar u.a. Son of Lee aus New York einladen, welcher die fabulösen Songs auf unserer ersten Platte DB 001 produziert hat. Wir freuen uns auf einen bunten Abend - wer noch keine Vinyl hat kann sich an diesem Abend eine mitnehmen!" (Disco Bizarre/Eintrag auf Facebook)
Die Insider streiten bekanntlich immer noch, ob der Name des Clubs sich tatsächlich aus dem berühmten Filmmusical von 1972 herleitet oder ob "KitKat" und "Cabaret" z.B. nur einen gemeinsamen Urahn besitzen, der viel weiter in die Geschichte zurückreicht. Eine weitere mögliche Inspirationsquelle für die Namensgebung wäre aber z.B. auch die Verfilmung von Nikos Kazantzakis gleichnamigem Roman 'Alexis Sorbas' mit einem mitreißenden Anthony Quinn in der Rolle seines Lebens, wobei der gefeierte Kultklassiker und weltweite Kassenschlager, der emphatisch die Lebenslust beschwört, bereits aus dem Jahr 1964 stammt. In einer Szene besucht Sorbas einen Nachtclub und für einen ganz kurzen Moment sieht man auf einem Schild den Namen des Lokals: „Kit Kat Club"!„Sorbas glaubt, dass Gott am Ende alles verzeiht – bis auf eines: Wenn ein Mann eine Frau haben könnte und sie verschmäht, kommt er in die Hölle." (Dieter Wunderlich/Alexis Sorbas)
Ältere clubspezifische Einträge siehe auch die Surftips im KitKat-Pressespiegel, Unterseite Kunst & Kultur, rechte Spalte. Klick den Link!
Von Anfang April bis Mitte August 2020 fand im Berliner Kupferstichkabinett die Sonderausstellung 'Pop on Paper' statt, als eine der ersten nach dem Corona-Lockdown und der Wiedereröffnung der Museen. Das Kupferstichkabinett präsentierte dort in zehn Kapiteln die Highlights seiner Pop Art-Sammlung, die zu den bedeutendsten Europas gehört: „Ausgehend von der US-amerikanischen Druckgraphik der 1960er-Jahre und den Pop Art-Pionieren Andy Warhol und Roy Lichtenstein entfaltet „Pop on Paper" ein stilistisch wie thematisch breites Spektrum, das von Arbeiten so unterschiedlicher Künstler*innen wie Claes Oldenburg, James Rosenquist oder Elaine Sturtevant zu Allen Jones, Sigmar Polke und Maria Lassnig nach Europa und bis in die Gegenwart reicht." (Ausstellungstext)Zu dieser Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog mit 180 Seiten erschienen. Preis: 38 Euro.
„1962: Amerika verliert seine blonde Ikone. Unter mysteriösen Umständen stirbt Marilyn Monroe. Wie ist sie gestorben? Das Polizeiprotokoll vermerkt: wahrscheinlich Suizid. Doch vieles deutet auf Mord. (...) Neue Beweise könnte die ominöse Box 39 liefern, die in den Archiven der UCLA verborgen ist. Erst im Jahr 2039 darf die Öffentlichkeit sie öffnen – aber ein Geheimnis ist schon nach draußen gedrungen." (Arte-Text) In der Reihe 'Cold Case' geht es heute um die Todesumstände von Marilyn Monroe. Selbstmord, Mord oder ein medizinischer Unfall durch einen Behandlungsfehler ihres Arztes im Kontext jahrelangen Medikamentenmissbrauchs: Die Mordthese war schon immer die spektakulärste, die immer neue Presseberichte, Buchveröffentlichungen, neue Spekulationen oder wie hier neue Dokumentationen hervorbringt, auf der ewigen Suche nach dem Kick der gruseligen Sensation und der fortgesetzten Mystifizierung. In Wirklichkeit wäre die zunächst banal erscheinende Variante Behandlungsfehler plus Medikamentenmissbrauch aber die deprimierendste und in ihren analytischen wie kulturellen Folgen die weitreichendste, man lese dazu die Biografie von Donald Spoto, denn dann wäre MM, das größte weibliche Sexsymbol der westlichen Unterhaltungskultur, nicht einem bloßen finsteren Mordanschlag sondern ihrer Geschichte, der Filmindustrie, ihrem Ruhm und damit letztlich uns allen zum Opfer gefallen, als Opfer eines noch viel dunklereren kollektiven Verhängnisses! In der Nacht zu Mittwoch. PS: Der Link führt zunächst in den KitKat-Pressespiegel zur Meldung über den Verkauf des ikonografischen Marilyn-Porträts von Andy Warhol zu einer exorbitanten Rekordsumme. Neben der Arte-Doku ist dort auch die aktuelle Netflix-Doku 'Mysterium Marilyn Monroe: Die ungehörten Bänder' verlinkt, die sich dem Tod von Marilyn Monroe über bislang unbekannte Tonbandaufnahmen von Personen aus ihrem Umfeld annähert, einschließlich von Aufnahmen von ihr selbst.
Der liberal-konservative Verleger einer großen Zeitung soll zum Bundespräsidenten gewählt werden. Dabei kommt ihm allerdings sein promiskuitives Sexualleben in die Quere... Schriftstellerin Thea Dorn schrieb das anspielungsreiche Drehbuch, das sowohl von der Affäre Dominique Strauß-Kahn, dem unehelichen Kind Horst Seehofers, den Guttenbergs oder dem Rücktritt von Christian Wulff inspiriert wurde. Die Hauptfigur erinnert auch an den früh verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher, überzeugend verkörpert von Schauspieler Matthias Brandt, der als Sohn von Willy Brandt jede Menge biografisches Erfahrungsmaterial in diese Rolle einbringen konnte.
Vom 26. bis zum 29. Mai 2022 findet in Berlin wieder das XPOSED Queer Film Festival statt, bereits zum 16. Mal, das einen breiten Querschnitt des alternativen queeren Kinos auf die große Leinwand bringt. Insgesamt sind 13 Langfilme und 42 Kurzfilme in drei Berliner Kinos zu sehen, dem Moviemento in Kreuzberg und dem Wolf und dem IL Kino in Neukölln:„"Die 16. Ausgabe von XPOSED feiert Queerness als eine Herangehensweise, eine Erfahrung, und eine Perspektive auf die Welt", erzählt Merle Groneweg, neue Festivalleitung von XPOSED nach mehreren Jahren der Co-Direktion und Kuration. "Wir freuen uns darauf, diese großartigen Filme mit unserer Community teilen und diskutieren zu dürfen. Wir sind dankbar, wieder im Kino zu sein."" (queer.de)Der konzeptionelle Schwerpunkt der 16. Ausgabe insbesondere bei den 13 Langfilmen besteht diesmal in der Frage nach den unterschiedlichen filmischen Erzählweisen unter den Gesichtspunkten der Repräsentation, der Sichtbarkeiten und der Verletzlichkeiten: „Who tells a story, why, how, and to whom?" (Veranstaltungstext)In 'Neptune Frost' (Donnerstag, Moviemento, 20 Uhr 15), einer Art queeres Science Fiction-Punk-Musical aus Afrika, wird die Geschichte einer Gruppe von Minenarbeiter in Burundi erzählt, die aus einer Coltan-Mine fliehen. Als einer der Arbeiter in einer schicksalshaften Begegnung auf einen Intersexuellen trifft, werden die beiden zu Boten der Rebellion und einer neuen Zeit: "The dialogue is poetry, unconcerned with coherence or a literal understanding of what's taking place on screen." (Filmbeschreibung)Die Dokumentation 'Shinjuku Boys' (Samstag, Moviemento, 16 Uhr) schon von 1994 stellt drei sogenannte „Onnabes" vor, die als Hostessen im New Marilyn Club in Tokyo arbeiten. Onnabes sind Frauen, die als Männer leben, sich aber normalerweise nicht als Lesben identifizieren. Der Film liefert damit sowohl eine anschauliche Beschreibung der so differenzierten wie komplexen weiblichen Sexualität in Japan als auch ein Stück queerer Geschichte der 90er: „As the film follows them at home and on the job, all three talk franklyto the camera about their gender-bending lives, revealing their views about women, sex, transvestitism and lesbianism. Alternating with these illuminating interviews are fabulous sequences shot inside the Club, patronized almost exclusively by heterosexual women who have become disappointed with real men." (Filmbeschreibung)'Wet Sand' (Samstag, IL Kino, 19 Uhr) spielt in einem Dorf an der georgischen Schwarzmeer-Küste. Ein Mann wird erhängt aufgefunden, tragische Konsequenz einer versteckten und „verbotenen" Liebe, und als seine Enkelin nach den Ursachen und tieferen Zusammenhängen forscht, wird sie mit einem Geflecht aus Lügen in der Dorfgemeinschaft und ihrer eigenen Familie konfrontiert, die letztlich in konservativen Moralvorstellungen wurzeln: „Director Elene Naveriani reflects on the pitfalls of a close-knit village community and its violent nationalist and religious values, all the while laying open the beacons of Hope." (Filmbeschreibung)'Mothers of Derrick' (Sonntag, Moviemento, 16 Uhr) porträtiert vier Frauen - Lesben und Bisexuelle, Non-Monogame und Anarchistinnen - die gemeinsam ein Haus bauen, um einen Jungen in einem Wald an der brasilianischen Südküste großzuziehen, den neunjährigen Derrick. Im Spannungsfeld zwischen der Unterstützung durch einen sympathisierenden und befreundeten Direktor und anhaltender Schwierigkeiten durch die Polizei zeigt der Film ihren Kampf gegen die Zwänge der Normalität und die empowernde Kraft der Solidarität.In dem Dokumentarfilm 'Framing Agnes' (Sonntag, IL Kino, 19 Uhr) geht es um eine junge Transfrau, die schon Ende der 50er Jahre an der Universität von Kalifornien mit der herrschenden Geschlechterordnung in Konflikt geriet bzw. um Anerkennung und Unterstützung für ihre geschlechtliche Identität kämpfte: „In Begleitung eines Ensemble-Casts von trans* Künstler*innen und Performer*innen wird durch Reenactment und genre-übergreifende Erzähltechniken neues Leben in bisher unbekannte Persönlichkeiten geschaffen, die das Verständnis von Geschlecht mitte des 20. Jahrhunderts neu definiert haben. Wer wird zu einem Symbol für was, und für wen?" (queer.de)Das Festival zeigt auch noch einmal die beiden Gewinnerfilme des Teddy Awards auf der Berlinale 2021 und 2022. Miguels War' (Samstag, Wolf Kino, 21 Uhr 10) erzählt die dramatische und wendungsreiche Lebensgeschichte eines schwulen Libanesen vom libanesischen Bürgerkrieg in den frühen 80er Jahren bis hin zu seiner Zeit im Barcelona der Gegenwart. In 'Três tigres tristes' (Moviemento, Sonntag, 20 Uhr 15) dagegen geht es um ein Virus, das die Erinnerung angreift und drei queere junge Menschen im brasilianischen São Paulo, die ihre verschiedenen Erfahrungen miteinander teilen und dadurch dieser Pandemie trotzen können.Das XPOSED Queer Film Festival Berlin wurde ursprünglich einst gegründet, um preisgekrönte queere Kurzfilme aus Australien einem internationalen Publikum bekannt zu machen. Längst hat sich die Perspektive grundlegend erweitert, aber die Kurzfilm-Sektion bildet weiterhin einen starken Schwerpunkt des Festivals. Diesmal werden insgesamt 7 Kurzfilmprogramme mit insgesamt, wie eingangs erwähnt, 42 Kurzfilmen gezeigt, die alle im Moviemento laufen, sortiert und gegliedert unter folgenden Überschriften: 'Another Echo Chamber' (Donnerstag, 18 Uhr), 'Cracks Belong' (Freitag, 18 Uhr), 'A Constant Struggle' (Freitag, 20 Uhr 15), 'Bodies in Motion' (Samstag, 14 Uhr), 'Heart to Heart' (Samstag, 18 Uhr), 'Failing the History Class' (Samstag, 20 Uhr 15) und 'Young Gaze' (Sonntag, 18 Uhr). Die einzelnen filmischen Beiträge stammen etwa aus Argentinien, Bulgarien, Kanada, Deutschland, Georgien, Iran, Nigeria, Pakistan, Portugal, Slowenien, Thailand, der Türkei und vielen weiteren Ländern mehr. Themen, die behandelt werden, sind unter vielen anderen z.B. die täglichen Kämpfe vieler queerer Menschen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten, die Kritik binärer Geschlechterkonzeptionen oder patriarchaler und kolonialer Tradtionen oder der Körper als Ort der Transformation.Ein Rahmenprogramm mit special events, z.B. zur 8. Verleihung des Lolly Award oder zur queeren Filmförderung, rundet das ganze Festival ab. Mehr dazu - und natürlich zu den einzelnen Filmen, auch zu den oben nicht schon erwähnten - und weitere Informationen findet man auf der Homepage der Veranstalter mit Klick auf die Überschrift.
Anfang des 20. Jahrhunderts zog es Menschen aus der ganzen westlichen Welt in eine Künstler- und Aussteigerkommune in die Schweiz in die Nähe von Ascona, wo Ida Hofmann ein Sanatorium auf dem Monte Verità gegründet hatte, „dem Berg der Wahrheit". Die Kommune war Teil der sogenannten und in sich sehr heterogenen Lebensreformbewegung, die als Antwort und kritischer Reflex auf die vielfältigen Entfremdungs- und Degenerationserscheinungen der expandierenden Industriegesellschaft des Frühkapitalismus schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedene Ideale und neue Lebenspraxen propagierte: Vegetarismus, Ausdruckstanz, Freikörperkultur und freie Liebe, Naturheilkunde, Kleidungsreform, Reformpädagogik, Pazifismus, neue Architektur, Gemeinschaftsorientierung, landwirtschaftliche Reformen, allgemeine Hin- bzw. Rückwendung zur Natur, zur Jugendbewegung und dem Wandervogel, Offenheit für neue künstlerische Bewegungen oder Aneignung östlicher bzw. spiritueller Weltanschauungen wie Buddhismus, Yoga, Theosophie und ähnliches mehr.Der Spielfilm porträtiert diese Aussteigergemeinschaft auf dem Monte Verità und schildert verschiedene Ereignisse bzw. die Geschichte der Selbstfindung ihrer Mitglieder aus der Sicht einer erfundenen Figur, einer jungen Frau und zweifachen Mutter aus Wien namens Hanna Leitner auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann und der erdrückenden Enge ihres bürgerlichen Lebens. Hier begegnet sie nun auch verschiedenen prominenten Figuren der Zeitgeschichte, die es tatsächlich gegeben und die vorübergehend in der Künstlerkommune gelebt haben, wie z.B. der schon erwähnten Frauenrechtlerin und Pianistin Ida Hofmann (gespielt von Jutta Jentsch), dem Schriftsteller Hermann Hesse, der Tänzerin Isadora Duncan oder dem Psychoanalytiker und Anarchisten Otto Gross, der als Hannas behandelnder Arzt vorgestellt wird, dem sie auf den Monte Verità gefolgt war. Die formale Machart des Films entspricht dabei einem konventionell und chronologisch erzählten Biopic und Historiendrama, das einige Kritiker inspirierend, sinnlich und vor grandioser Naturkulisse erkenntnisfördernd empfanden, andere hingegen eher etwas langatmig, vorhersehbar oder kraftlos:„Wer einen historisch korrekten Dokumentarfilm erwarte, werde enttäuscht sein. Wer hingegen das Lebensgefühl der Anti-Bourgeoisie des frühen 20. Jahrhunderts erleben möchte, für den sei der Kostümfilm genau das Richtige." (cineman.ch)„Zwar greife der Film ein Thema auf, das 120 Jahre später aktueller ist denn je, allerdings könne die fantasielose Inszenierung mit der gesellschaftlichen Relevanz nicht ganz mithalten." (OutNow.ch)Die Bewertung des Films sei nun dahingestellt bzw. jedem selbst überlassen, doch es kann keinen Zweifel darüber geben, dass die Thematik der Kritik an den modernen Lebensverhältnissen und die Suche nach Alternativen tatsächlich von bleibender Aktualität und anhaltender Bedeutung ist! Die Lebensreformbewegung war dabei - vermittelt durch verschiedene Auswanderer noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts - eine direkte Inspirationsquelle für verschiedene Aussteigergenerationen in den USA, von den Beatniks der späten 40er und 50er Jahren bis zu den Hippies der Sixties, die wiederum, gewissermassen als Re-Import, die unterschiedlichen grün-alternativen Subkulturen in der westdeutschen Bundesrepublik der 70er und 80er Jahre zentral beeinflussten und motivierten. Dies führte u.a. auch zur Gründung vieler Landkommunen und verschiedenster ökologischer Projekte, deren Strahlkraft letztlich bis in gesellschaftliche und politische Debatten der Gegenwart z.B. um Klimawandel, Energiepolitik, Veganismus und grundsätzliche Fragen nach einem nachhaltigen Lebensstil reichen. Die Lebensreformer nahmen dabei selbst schon viele Impulse viel älterer spiritueller, geistiger und kultureller Erneuerungsbewegungen auf, über die Frühromantiker um 1800 und religiöse Orden des Mittelalters bis hin zu frühchristlichen Gemeinden im alten Rom oder noch älteren griechischen, jüdisch-nahöstlichen oder indischen Traditionen, wie ja der grundlegende Konflikt zwischen herrschender Ordnung und abweichender Vorstellung von einem guten und gerechten Leben letztlich ein zeitloser ist.Die ganze Ambivalenz und Widersprüchlichkeit dieser alternativen Strömungen und politischen, gesellschaftlichen wie spirituellen Suchbewegung zeigt sich nun nirgends so prägnant verdichtet und literarisch gestaltet wie im Leben und im Werk des Schriftstellers Hermann Hesse, der ja, wie angedeutet, als Figur im Film selbst auftaucht. Schon sein Titelheld 'Peter Camenzind' im gleichnamigen Debütroman von 1904, dessen großer Erfolg Hesse die schriftstellerische Karriere eröffnete, ist von einer überschwänglichen Liebe zur Natur geprägt, die aber mit dem modernen Leben in der Großstadt in Konflikt gerät. Im Nachfolgebuch 'Unterm Rad' von 1906 klagt er - auf autobiografischer Grundlage - die repressiven pädagogischen Ideale an, wie sie den zeitgenössischen Schulalltag bestimmten. Im darauffolgenden Werk 'Gertrud' von 1910 erhält die männliche Hauptfigur in einer schwerwiegenden Lebenskrise u.a. den Rat, aufs Land zu ziehen, hart zu arbeiten und kein Fleisch mehr zu essen (falls es sich nur um ein körperliches Problem handele). Eine große Naturliebe bzw. emphatische Naturbeschreibungen finden sich auch in späteren Romanen immer wieder wie z.B. in 'Klingsors letzter Sommer' (1920), 'Siddhartha' (1922) oder in 'Narziss und Goldmund' (1930), in Kurzgeschichten und Märchen oder auch in einem Teil seines umfangreichen lyrischen Werks, wie auch der Mensch Hermann Hesse mit samt seiner Familie 1904 von Basel raus aufs Land in ein kleines Dorf am Bodensee zog.Auch seine bekannte Hinwendung zu fernöstlicher Spiritualität, die vor allem in seinen großen Romanen und Erzählungen in der zweiten Hälfte seines Lebens bzw. seines literarischen Schaffens in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zentralen Niederschlag gefunden hat, ist von seinen Erfahrungen mit der Lebensreformbewegung mitbeeinflusst, mehr noch aber wohl von seinem biografischen Hintergrund als Kind und Enkel christlicher Missionare in Indien und den damit verbundenen schweren seelischen Konflikten. Als sensibler Künstler, emphatischer Wahrheitssucher und genauer literarischer Beobachter sah Hesse allerdings auch schon früh Defizite und Skurrilitäten, Ausblendungen und Abgründe in den Aussteigergemeinschaften und -philosophien, mit denen er doch zunächst so stark sympathisiert hatte, wie er z.B. mit der Kurzgeschichte 'Dr. Knölges Ende' bereits 1910 ein satirisches Porträt eines typischen „Körnerfressers" zeichnete, um damit bestimmte zugespitzte Spielarten des Vegetarismus zu parodieren. In den nächsten zwanzig Jahren sind seine literarischen Protagonisten dann oft grübelnde, in sich zerrissene und nicht zuletzt am Widerspruch zwischen Natursehnsucht und kulturellen Zwängen verzweifelnde Charaktere, wobei dieser Dualismus vor allem im hochambivalenten Selbstbild und inneren Ringen von Harry Haller als „Steppenwolf" im gleichnamigen Roman von 1927 seinen idealtypischen Ausdruck fand. 'Das Glasperlenspiel' dagegen, sein Opus Magnum von 1943 mit der Hauptfigur Josef Knecht, für das er 1946 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde und das u.a. auf den Spuren mathematischer Grundlagen der Musik oder des altchinesischen IGing-Orakels wandelt, hat dann endgültig einen ganz anderen und sehr viel nüchterneren Ton gefunden. Idealistische und sinnliche Naturschwärmerei ist hier völlig einer abstrakten und hochvergeistigen Reflexionsebene gewichen bzw. ist dort nur noch im ersten Anhang, genannt 'Der Regenmacher', präsent und „outgesourced", als einem von drei fiktiven Lebensläufen Josef Knechts - oder dessen früherer Reinkarnationen - als so naturverbundener wie auch die Natur fürchtender Heiler und Schamane eines Stammes in unbestimmter grauer Vorzeit (wobei dieser Figur übrigens das systematische Wissen der Anthropologie und Ethnologie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Grunde liegt, wie Hesses umfangreiche Tätigkeit als Buchrezensent bezeugt, mit tausenden von Buchbesprechungen sowohl belletristischer als auch wissenschaftlicher Werke aus mehreren Jahrzehnten).Eine einfache, so unkritische wie undifferenzierte und geradezu naive Naturverehrung, wie sie für die Lebensreformer, den jüngeren Hesse aber auch für Teile der modernen Ökologiebewegung so charakteristisch war bzw. ist, kollidierte letztlich wahrscheinlich mit Hesses Selbstverständnis und seiner Berufung als Schriftsteller und Künstler, denn Kunst ist wesensmäßig kultureller Selbstausdruck und den Widrigkeiten und Widerständen natürlicher Voraussetzungen abgerungen und nicht einfach „da". Und so sind auch die unterschiedlichsten entwickelten spirituellen Traditionen, für die er sich immer stärker interessierte und denen er schließlich einen so prägnanten wie emphatischen literarischen Ausdruck gab, nicht mehr - abgesehen vom Schamanismus des „Regenmachers" - einfache Erfahrungs- oder Naturreligionen sondern beinhalten in der Regel vielfältige kulturelle und vergeistigte Elemente, ganze Kosmen von Schriften, Symbolen, Ritualen und komplizierten Überlegungen wie Überlieferungen.Im 'Steppenwolf' löste Hesse schließlich den schroffen und starren Gegensatz zwischen Natur und Kultur in einer anderen und neuen Weise auf und geht zu seiner früheren Naturromantik grundlegend auf Distanz, rund zwanzig Jahre nach seinem Besuch auf dem Monte Verità. Dies geschieht allerdings nicht primär mit oder in der seelischen Entwicklung seiner Hauptfigur sondern mit der Gesamtaussage des Romans selbst, der verschiedene kunstvolle Meta-Ebenen enthält und wodurch Harry Haller mehrfach der geistige Spiegel vorgehalten wird, worin letztlich die verdichtete, fortgesetzte und fortgeschrittene Selbstreflexion des Autors zum Ausdruck kommt, für den die literarische Arbeit immer schon auch das permanente Ringen um Selbsterkenntnis bedeutete, wie schon viele Literaturkritiker - teils anerkennend, teils neutral analytisch, teils abfällig - festgestellt haben. Nicht nur gegen Ende im berühmten Magischen Theater des Spiegelkabinetts sondern schon in der ersten Hälfte, in dem eingeschobenen 'Traktat vom Steppenwolf', der ein so spöttisches wie vielschichtiges Bild der inneren wie äußeren Situation seines Helden zeichnet, ihn gleichzeitig aber auch über Irrtümer, Illusionen und tiefere Zusammenhänge aufklärt:„Immerhin hat unser Steppenwolf wenigstens die faustische Zweiheit in sich entdeckt, er hat herausgefunden, dass der Einheit seines Lebens nicht eine Seeleneinheit innewohnt, sondern dass er bestenfalls nur auf dem Wege, in langer Pilgerschaft zum Ideal dieser Harmonie begriffen ist. Er möchte entweder den Wolf in sich überwinden und ganz Mensch werden oder aber auf den Menschen verzichten und wenigstens als Wolf ein einheitliches, unzerrissenes Leben leben. Vermutlich hat er nie einen wirklichen Wolf genau beobachtet – er hätte dann vielleicht gesehen, dass auch die Tiere keine einheitliche Seele haben, dass auch bei ihnen hinter der schönen straffen Form des Leibes eine Vielfalt von Strebungen und Zuständen wohnt, dass auch der Wolf Abgründe in sich hat, dass auch der Wolf leidet. Nein, mit dem „Zurück zur Natur!" geht der Mensch stets einen leidvollen und hoffnungslosen Irrweg. Harry kann niemals wieder ganz zum Wolfe werden, und würde er es, so sähe er, dass auch der Wolf wieder nichts Einfaches und Anfängliches ist, sondern schon etwas sehr Vielfaches und Kompliziertes. Auch der Wolf hat zwei und mehr als zwei Seelen in seiner Wolfsbrust, und wer ein Wolf zu sein begehrt, begeht dieselbe Vergesslichkeit wie der Mann mit jenem Liede: „O selig, ein Kind noch zu sein!" Der sympathische, aber sentimentale Mann, der das Lied vom seligen Kinde singt, möchte ebenfalls zur Natur, zur Unschuld, zu den Anfängen zurück und hat ganz vergessen, dass die Kinder keineswegs selig sind, dass sie vieler Konflikte, dass sie vieler Zwiespältigkeiten, dass sie aller Leiden fähig sind. Zurück führt überhaupt kein Weg, nicht zum Wolf, noch zum Kind. Am Anfang der Dinge ist nicht Unschuld und Einfalt; alles Erschaffene, auch das scheinbar Einfachste, ist schon schuldig, ist schon vielspältig, ist in den schmutzigen Strom des Werdens geworfen und kann nie mehr, nie mehr stromaufwärts schwimmen. Der Weg in die Unschuld, ins Unerschaffene, zu Gott führt nicht zurück, sondern vorwärts, nicht zum Wolf oder Kind, sondern immer weiter in die Schuld, immer tiefer in die Menschwerdung hinein..." (Hermann Hesse, Der Steppenwolf, 1927)PS: Der Film 'Monte Verità - Der Rausch der Freiheit' ist noch in dem ein oder anderen Programmkino gelegentlich zu sehen. Er wird außerdem ab dem 6. Mai 2022 auf Amazon Prime als Stream angeboten.
Originaltitel: Monte Verità – Der Rausch der FreiheitRegie: Stefan JägerLänge: 116 (min)Darsteller: Maresi Riegner, Joel Basman, Julia Jentsch, Hannah Herzsprung, Max Hubacher...Produktionsort: Schweiz/Deutschland/ÖsterreichProduktionsjahr: 2021Startdatum: 16.12.21
Der ursprünglich aus Berlin und einer jüdischen Familie stammende Fotograf Helmut Newton, der 1938 das nationalsozialistische Deutschland verließ, starb 2004 in Los Angeles an den Folgen eines Verkehrsunfalls im Alter von 83 Jahren. Nur drei Monate vor seinem Tod gründete er noch die „Helmut Newton Stiftung", die Ausstellungen mit seinen Arbeiten und den Arbeiten seiner Frau June organisiert. Und schon 2003 hatte er der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sein Werk vermacht, die es in Kooperation mit der Helmut Newton Stiftung im Berliner Museum für Fotografie in der Jebsenstraße hinter dem Bahnhof Zoo regelmäßig in immer neuen Facetten und Zusammenstellungen aufbereitet und der Öffentlichkeit präsentiert.Die Ausstellung 'Helmut Newton. Legacy' sollte ursprünglich schon 2020 zu seinem 100. Geburtstag gezeigt werden, wurde aber wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben. Nun zeichnet sie das Leben und das visuelle „Vermächtnis" - englisch: „Legacy" - des gebürtigen Berliners in chronologischer Reihenfolge nach:„Mit etwa 300 Werken, von denen die Hälfte zum ersten Mal gezeigt wird, präsentiert der Stiftungskurator Matthias Harder unbekanntere Aspekte aus Newtons Werk, darunter vor allem seine ungewöhnlichen Modefotografien der unterschiedlichen Dekaden, die den sich wandelnden Zeitgeist widerspiegeln. Abgerundet wird die Präsentation durch Polaroids und Kontaktbögen, mit denen man in der Ausstellung der Entstehung berühmter Motive nachspüren kann, sowie Sonderveröffentlichungen, Archivalien und Zitate des Fotografen. Neben zahlreicher Bildikonen von Helmut Newton hält die Retrospektive auch manche Überraschungen für die Besucher*innen bereit." (Ausstellungstext)Harder will mit dieser Schau vor allem Newton als große kontroverse Figur herausarbeiten, die die Zeitgenossen sowohl faszinierte wie provozierte. Schon in den 50er Jahren begann seine Zusammenarbeit mit der Vogue, seine dort und in anderen Magazinen publizierte Modefotografie entfaltete einen großen Einfluß, insbesondere auch durch die Art seines visuellen Storytellings in einzelnen Bildern oder ganzen Bilderserien:„Newton entwickelte seine spezielle Ästhetik zu unverkennbarer Originalität. Viele Arbeiten und Porträts drehen sich um die Welt von Geldadel, Jetset, Glamour und Schmuck. Sich selbst bezeichnete der Fotograf als "professionellen Voyeur". Seine oft als nur Objekte kritisierten Motive sind aber eben auch Handelnde. Newton dazu: "Ich fotografiere gern Frauen, denen man ansieht, dass sie etwas vom Leben wissen." Die von Newton dargestellte Sexualität etwa wirkt schon in sehr frühen Jahren von den Frauen selbstbestimmt." (Süddeutsche.de)Seine Aktfotografie war umstritten, nicht nur aber vor allem bei feministischen Autorinnen, was durchaus einen paradoxen Aspekt enthielt, da seine bekanntesten Arbeiten auf diesem Gebiet, die „Big Nudes" großformatiger nackter Frauen, besonders starke, besonders selbstbewußte und besonders dominant wirkende Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts abbildeten. Die Ausstellung zeigt dabei auch Varianten des gleichen Motivs, in denen Frauen in gleicher Pose einmal nackt und einmal mit aktueller Mode dargestellt werden:„So testete Newton immer wieder gesellschaftlich-moralische Grenzen aus und definierte sie mitunter neu; er verstörte und verzauberte die Menschen mit seinen Visionen und Visualisierungen von Mode und Weiblichkeit – und das bis zu seinem Lebensende. Wohl kein Fotograf wurde häufiger publiziert als Helmut Newton. Heute sind viele seiner ikonischen Bilder Bestandteil unseres kollektiven Bildgedächtnisses. Doch nach einer intensiven Recherche im Stiftungsarchiv kommen nun vergessene, überraschende Fotografien ans Licht." (Ausstellungstext)In einem eigenen Raum sind außerdem die Arbeiten von Alice Springs ausgestellt, das ist das Pseudonym seiner Frau June Newton, mit der er seit seiner Heirat 1948 auch beruflich eng zusammenarbeitete. Die geborene Australierin starb erst im April 2021. Im Taschenverlag ist schließlich ein 400 Seiten starker Bildband zur Ausstellung erschienen, in dem auch zahlreiche Freunde und Wegbegleiter zu Wort kommen. „I am not an artist, I am a photographer!" sagte Newton einmal, er sei kein Künstler sondern nur ein Fotograf, wobei dieses berühmte Zitat auf der Rückseite dieses Bildbandes abgedruckt ist:„Und wer das Buch „Helmut Newton. Legacy" durchblättert (...) wird darin durchaus eine Kunst entdecken. Die Kunst nämlich, Modebilder zu machen, Modemedien zu bedienen, Mode zu zeigen, ohne im allzu Modischen, im also Vergänglichen zu landen." (Berliner Zeitung)UPDATE: Die Ausstellung 'Helmut Newton. Legacy' wurde bis zum 22. Mai verlängert, danach sei auf diesen Bildband verwiesen. Ab dem 3. Juni und dann bis zum 20. November 2022 läuft im Museum für Fotografie dann die Gruppenausstellung 'Hollywood', in der neben Arbeiten von Helmut Newton Werke von Eve Arnold, Anton Corbijn, Philip-Lorca diCorcia, Michael Dressel, George Hoyningen-Huene, Jens Liebchen, Ruth Harriet Louise, Inge Morath, Steve Schapiro, Julius Shulman, Alice Springs und Larry Sultan gezeigt werden: „In Vitrinen werden zusätzlich Fotografien von George Hurrell sowie Publikationen von Annie Leibovitz und Ed Ruscha präsentiert." (Ausstellungstext)Schließlich sei auch noch auf die Dauerausstellung "Helmut Newton's Private Property" empfohlen: „Die Helmut Newton Foundation zeigt auf den beiden unteren Etagen des Gebäudes die seit Jahren erfolgreiche Dauerpräsentation "Helmut Newton's Private Property" und Ausstellungen zum Werk Helmut Newtons, seiner Frau Alice Springs und seiner Weggefährten: von "Helmut Newton: Sex and Landscapes" über "Newton, Nachtwey, Lachapelle: Men, War & Peace" bis zu "Pigozzi and the Paparazzi" und "Helmut Newton Polaroids"." (Ausstellungstext) Zu sehen sind dort u.a. auch Newtons Kameras, seine private Foto- und Kunstsammlung, Ausstellungsplakate und vieles weitere mehr.Jebsenstrasse 2, 10623 Berlin. Di-So 11-19 Uhr, Do bis 20 Uhr. Eintritt 10 Euro, ermässigt 5.
Vorbemerkung: Die große und von der Kritik gefeierte Ausstellung 'Dekadenz und dunkle Träume' über den Belgischen Symbolismus in der Alten Nationalgalerie sollte ursprünglich vom 18. September 2020 bis zum 17. Januar 2021 laufen. Aufgrund der coronabedingten Museumsschließungen war sie leider nur einige Wochen für das Publikum zugänglich. Eine Verlängerung bzw. Wiedereröffnung nach Aufhebung des Lockdowns war zwar nicht möglich, da alle Bilder längst den Leihgebern zurückgegeben worden waren, es gibt aber weiterhin verschiedene Lectures auf YouTube bzw. vor allem auch ein längeres Video einer virtuellen Führung, in der Ralph Gleis, der Leiter der Alten Nationalgalerie, in die Ausstellung einführt und ausgewählte Bilder näher vorstellt!„Der lustvolle Blick in den Abgrund, der übersteigerte Ästhetizismus einer übersättigten Gesellschaft, die sich zugleich in der Krise wähnte, der morbide Reiz zwischen Thanatos und Eros dies sind Themenfelder in der Kunst, die Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere im belgischen Symbolismus ihren Ausdruck fanden." (Ausstellungstext)Der Symbolismus war eine neue Kunstströmung ab den 1880er Jahren, der sich im Gegensatz zu Naturalismus und Impressionismus von den Reizen der Oberfläche und des Sichtbaren abwendete, um dunkle Abgründe, Sinnlichkeit, Irrationalismus, Magie oder allgemein die vielfältigen inneren Landschaften der Seele zu ergründen und bildlich darzustellen: „Der Symbolismus enthält hierin bereits vielfach eine künstlerische Vorwegnahme der Traumdeutung von Freud, dessen gleichnamige Studie 1899 erschien." (Ausstellungstext)Belgien und die Hauptstadt Brüssel wurden neben Frankreich und Deutschland zu einem zentralen Kraftfeld dieser Bewegung, zum einen, weil hier verschiedene Literaten wie Maurice Maeterlinck und Georges Rodenbach lebten, die mit ihren Werken entscheidende geistige Impulse gegeben hatten. Zum anderen war Brüssel generell eine Drehscheibe des internationalen Kunstbetriebs und Verbindungsglied zwischen England und dem Kontinent. Zentrale Motive des belgischen Symbolismus sind die Dekadenz, die Morbidität, Vergänglichkeit oder das Dämonische aber auch das Esoterische, die Mystik, die Erotik, Wollust oder die Femme fatale. Zentrale belgische Künstler, deren Werke in der Ausstellung gezeigt wurden, waren etwa James Ensor, Fernand Khnopff, Théo van Rysselberghe, Felicien Rops, Jean Delvill, Leon Spilliaert, Xavier Mellery oder Georges Lebrun. Die Ausstellung stellte deren eher wenig bekannte Arbeiten und die damit verbundenen künstlerischen Positionen einem breiteren Publikum vor und stellte sie Werken - teils aus hauseigenen Beständen - des Europäischen Symbolismus gegenüber, wie er sich etwa in den Bildern oder Skulpturen von Gustave Moreau, Arnold Böcklin, Max Klinger, Gustav Klimt oder Edvard Munch niedergeschlagen hat. Zu sehen waren insgesamt rund 200 Einzelstücke in 13 Kapiteln. Ein großformatiger Ausstellungskatalog mit 336 Seiten ist weiterhin für 45,00 Euro im Museumsshop erhältlich:„Wahnhaft, übertrieben, elegisch, psychologisierend – auf den belgischen Symbolismus trifft vieles zu. Vor allem ist es fantastische Malerei. Mit jedem Ausstellungskapitel steigt der Besucher tiefer ein, bis er im kleinen Kabinett vor einer Reihe Interieur-Bildern steht." (Tagesspiegel)PS: Mit Klick auf den Titel gelangt man zunächst in den KitKat-Pressespiegel zu einem Artikel über eine Arte-Dokumentation zum Phänomen der Dekadenz, der Link zu dieser Sendung wurde angepasst und führt nun zu YouTube. Es folgen die Ausstellungsbesprechung des Tagesspiegel und ein Link zur Ausstellungshomepage. Dort in der rechten Spalte unter der Überschrift „Weiterführende Links" findet man den Verweis auf die eingangs erwähnte virtuelle Führung durch die Ausstellung. Schließlich findet man noch drei Links zu YouTube mit drei virtuellen Lectures über den belgischen Symbolismus zu den Themen 'Traum und Wirklichkeit', 'Die symbolistische Landschaft' und 'Lust und Vergänglichkeit'.
Im Oktober 2020 ist das großformatige Taschenbuch über die Clubszenen in zehn exemplarischen Städten Europas und Afrikas erschienen, die die große Vielfalt der globalen Clubkultur widerspiegeln. "Ten Cities – Clubbing in Nairobi, Cairo, Kiew, Johannesburg, Neapel, Berlin, Luanda, Lagos, Bristol, Lisbon" umfasst dabei außerdem einen Zeitraum von 60 Jahren und gewährt so auch einen Einblick in die geschichtliche Entwicklung der lokalen Musik-, Ausgeh- und Feierkulturen:„Das Bild des seinen Plattenkoffer über internationale Non-Places ziehenden DJs, der rund um den Globus in Clubs auflegt, ist ein Stereotyp unserer Zeit. Clubkulturen haben eine reiche lokale Historie und sie sind zugleich geografisch viel differenzierter, als in der Geschichte von der nordatlantischen Achse Detroit–Chicago–Manchester–Berlin bislang erzählt wurde. Dieses Buch erweitert den Fokus. Es berichtet von zehn Club-Hauptstädten in Afrika und Europa, sowohl von prominenten als auch von vermeintlich peripheren Szenen." (Verlagstext)Zu jeder Stadt gibt es zwei Essays, ergänzt um eine Fotostrecke, die sich schwerpunktmäßig je mit dem musikalischen und dem gesellschaftspolitischen Kontext beschäftigen und die die Unterschiede zwischen den verschiedenen lokalen Traditionen und Subkulturen aber auch die tieferen Gemeinsamkeiten herausarbeiten, die mit Stichworten wie „Labore des Andersseins", „Sehnsucht nach Gemeinschaft", „Überwindung von Herkunftsgrenzen" oder „Experimente für neue Lebensformen" beschrieben werden. Das Buch entstand aus einem gleichnamigen Projekt des Goethe-Instituts, das musikalische Begegnungen anfänglich nur zwischen Berlin und Nairobi initiierte, was im Laufe der Jahre immer mehr auf andere Städte ausgeweitet wurde. Mit dem Klick auf den Titel gelangt man dementsprechend zunächst zu einem taz-Artikel im KitKat-Pressespiegel schon von Mai 2013, der über dieses Projekt und die damalige Clubkultur in Cairo berichtete. Dort wurden nun noch der Link zur Besprechung des „Anti-Hochglanz-Wälzers" im Monopol-Magazin von Dezember 2020, ein Link zu Amazon und ein Link zu einer Compilation-CD hinzugefügt, die die Musik von 50 Produzenten aus den zehn Städten versammelt. Auch als Trippel-Vinyl erhältlich. Spector Books OHG, 560 Seiten, großformatiges Taschenbuch, in englischer Sprache, 40,00 Euro.Hier auch noch einige weitere Bücher zum Themenfeld Clubkultur/Feiern/Ekstase, die bereits auf der Kulturseite oben in der rechten Spalte in den letzten Jahren als Kurzbesprechungen erschienen sind. Die Links zu den jeweiligen Einträgen im KitKat-Pressespiegel wurden jetzt alle noch beim obigen Eintrag über die 'Ten Cities' ergänzt:EKSTASE - ECSTASY: IN KUNST, MUSIK UND TANZVon religiösen Riten und klassischen Gemälden über Jazz-, Rock- und Popkultur der vergangenen Jahrzehnte, Drogenräusche und Sportbegeisterung bis hin zu zeitgenössischer Performance-, Konzept- und Videokunst lieferte eine große Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart 2018/2019 einen breiten Überblick zu spirituellen, politischen, psychologischen, sozialen, sexuellen und ästhetischen Aspekten der ekstatischen Grenzerfahrung, „zwischen Askese und Exzess":„Ekstase ist eines der ältesten und zugleich erstaunlichsten Phänomene europäischer wie außereuropäischer Kulturen. Ursprünglich im rituell-religiösen Kontext geprägt, wurde die ekstatische Grenzerfahrung begrifflich erstmals in der Antike erfasst. Seither ist sie ein fester Bestandteil westlicher Gesellschaftstheorien. Dabei veränderte und erweiterte sich die Definition und Bewertung kontinuierlich." (Ausstellungstext)Der im Prestel-Verlag erschienene und seit Anfang Februar 2019 auch im Buchhandel erhältliche umfangreiche Katalog zur Ausstellung „dürfte bald als Standardwerk gelten"! Zweisprachig, englisch-deutsch, 288 Seiten, 45,00 Euro.NIGHT FEVER: DESIGN UND CLUBKULTUR 1960 - HEUTEEine Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein widmete sich bis Anfang September 2018 der Geschichte der Clubkultur von den 60er Jahren bis in die Gegenwart. Der Schwerpunkt lag dabei auf den gestalterischen Aspekten der Clubs, von der Architektur der Gebäude über die Innenarchitektur bis hin zu multimedialen Aspekten. Dabei wurden prägnante Beispiele aus der gesamten westlichen Welt dargestellt und analysiert:„Dazu unterstreicht eine ausgewählte Sammlung von Plattencovern, darunter Peter Savilles Designs für Factory Records oder Grace Jones' programmatisches Albumcover »Nightclubbing«, die wichtigen Zusammenhänge von Musik und Design in der Clubkultur von 1960 bis heute. Auch dieser Teil der Ausstellung zeigt, dass Nachtclubs viel mehr sind als vier Wände und ein Dach: Sie schaffen Räume für intensive und multimediale Erfahrungen, die bis heute in keiner anderen Umgebung erlebt werden können." (Ausstellungstext)Zu dieser Ausstellung ist bereits im Frühjahr 2018 auch ein großformatiger Begleitband erschienen, „reich illustriert mit Abbildungen von Clubinterieurs, Plakaten, Flyern, Protagonisten des Nachtlebens und deren Mode", 400 Seiten, 59,90 Euro.FRANZ JOSEF WETZ: EXZESSE - WER TANZT, TÖTET NICHT„Franz Josef Wetz geht von der Beobachtung aus, dass Menschen auch in modernen Gesellschaften exzessives Verhalten an den Tag legen. Obwohl solche Verhaltensweisen sozial geächtet sind, ihnen mit pädagogischen Maßnahmen und Strafandrohung begegnet wird, lassen sich die „dionysischen Energien" nur bedingt eindämmen. So stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, den Menschen einen sozialverträglichen Weg zurück „in den Urwald ihrer sonst gebändigten Begierden " zu ermöglichen und dies zu kultivieren (Fest, Sex, Musik, Sport usw.)." (Verlagstext) Oktober 2016 als Taschenbuch im Alibri-Verlag erschienen, 261 Seiten, 18,00 Euro.WESTBAM: DIE MACHT DER NACHT„Der Techno-Pionier Westbam veröffentlicht zu seinem 50. Geburtstag seine Lebenserinnerungen. Das Buch „Die Macht der Nacht" ist nicht auf Berlin fixiert, sondern erzählt, wie ein besonderer Sound in einer besonderen historischen Situation eine ganze Generation geprägt hat." (Berliner Zeitung) „Die Macht der Nacht" ist Anfang März 2015 erschienen, hat 320 Seiten und kostet 18,00 Euro. Unabhängig wie man zur Person und zum musikalischen Schaffen des Autors steht, liefert das Buch auf jeden Fall viele interessante Einblicke zur Entstehung und Entwicklung der deutschen Techno-Szene. Der Link führt zunächst in den KitKat-Pressespiegel, der zwei ausführliche Buchbesprechungen und ein Interview mit DJ Westbam anbietet.NACHTLEBEN BERLIN"Die Zeit scheint gerade gut für Bücher mit Erinnerungen an die Partykultur. Mit "Nachtleben Berlin" wird noch einmal opulent nachgelegt." Der taz-Artikel 'Das Feiern auf Papier' von Oktober 2013 lieferte anlässlich des Erscheinens von "Nachtleben Berlin" einen kleinen Überblick über verschiedene in der damaligen Zeit erschienene Bücher zur Berliner Partykultur wie z.B. "Der Klang der Familie" oder "Die ersten Tage von Berlin", die beide in unterschiedlicher Weise die Entstehung der Berliner Technoszene nach der Wende nachzeichnen, und ordnete dies in einen größeren Kontext zur Erforschung der Clubgeschichte bzw. der Historisierung der modernen Tanzmusik ein. Das Buch "Nachtleben Berlin" dokumentiert dabei die Entwicklung des Berliner Nachtlebens von 1974 bis in die Gegenwart (von 2013), von Subkultur bis Mainstream, sowohl von West- als auch von Ost-Berlin, inklusive zahlreicher unveröffentlichter Fotos. Oktober 2013 im Metrolit-Verlag erschienen, 312 Seiten, nur noch antiquarisch erhältlich, über 100 Euro.Zu viel Dokumentation schade aber der Party, schreibt der taz-Autor gegen Ende seiner Sammelbesprechung, und warnt: "Westentaschen-Pop-Archivare, die ihre Tage damit verbringen, rare Ron-Hardy-Remixe aus dem Internet herunterzuladen, historische Gigs von Daniele Baldelli bei YouTube nachzuholen oder Bücher wie die erwähnten zu lesen, tanzen nicht."
Im August 2019 wurde das 50jährige Jubiläum des Woodstock-Festivals gefeiert, das durch den Mammutfilm und ein Dreifachalbum den Mythos der Jugend- und Undergroundkultur der 60er Jahre für die Nachwelt konservierte und medial multiplizierte. Der „summer of love" als erster euphorischer Höhepunkt der Hippiebewegung war zum Zeitpunkt des Festivals schon fast zwei Jahre tot, offiziell zu Grabe getragen im Oktober 1967, wobei der zur Hymne gewordene Song von Scott McKenzie 'San Francisco' aus dem gleichen Jahr die Stimmung und den Spirit der Flower Power-Bewegung idealtypisch formulierte:„If you're going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair. If you come to San Francisco, Summertime will be a love-in there."Im Herbst 2019 lief im Berliner PalaisPopulaire die Ausstellung 'summer of love - art, fashion and rockn'roll' über diese prägende Phase der Hippiebewegung im San Francisco des Sommers 1967, als hunderttausende junger Menschen in die Stadt an der Westküste der USA pilgerten, um vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs und einer verkrusteten, konservativen Gesellschaft ein alternatives und friedlicheres Lebensgefühl zum Ausdruck zu bringen. Zu sehen waren dort über 150 Objekte und Dokumente aus jener Zeit wie z.B. Plattencover, rare Fotographien, zeitgenössische Konzertplakate, psychedelic Art oder typische Kleidungsstücke der Hippie-Mode, wobei die Ausstellung auch versuchte, Kontinuitäten und Verbindungen zur Gegenwart aufzuzeigen:„Eigens für diesen Anlass wurde die Light Show von Bill Ham rekonstruiert, mit denen Konzerte von Bands wie Jefferson Airplane oder Grateful Dead zu multimedialen, multisensorischen Events wurden - an die später auch Rave und Techno anknüpften. Die Ideale des „Summer of Love" sind wieder aktuell. Sie vermitteln einen utopischen Aufbruchsgeist – gerade für eine junge Generation, die über ihre Zukunft selbst bestimmen will und sich mit Protestaktionen und Streiks für Gewaltlosigkeit, soziale Gerechtigkeit, ökologisches Bewusstsein und ein neues Gemeinschaftsgefühl einsetzt." (Ausstellungstext)Das unaufhörliche „Reframing" prägender vergangener Ereignisse, kultureller Muster oder sozialer und geistiger Bewegungen durch spätere oder aktuelle Generationen - also die kontinuierliche inhaltliche oder formale Bezugnahme auf die Vergangenheit als ständige Bearbeitung, Interpretation, Ergänzung, Umdeutung, Kritik, Abgrenzung oder Wiederbelebung einstiger Ideale und Utopien oder ihrer kreativen Ausdrucksformen - hält den kulturellen Schaffensprozeß und den sozialen Wandel in Gang. Dabei tendiert jede Gegenwart dazu, wenngleich auch meist vorschnell, einseitig und projektiv, die Deutungshoheit über die Vergangenheit zu erlangen, wie beispielsweise gerade die Geschichte der Religionen jede Menge Anschauungsmaterial für diesen kollektiven Umdeutungsprozeß liefert, wenn ältere religiöse Bräuche, Glaubensvorstellungen, Kultstätten, Tempel, heilige Schriften, Feiertage oder Rituale umgewidmet und in die neue dominierende Heilslehre eingegliedert werden.Ein prägnantes Beispiel für dieses kontinuierliche Reframing lieferte auch die mysteriöse „fliegende Kuh" im KitKat-Gästebuch, als sie im August 2019 zum Woodstock-Jubiläum den Festivalauftritt von Jefferson Airplane zu „Somebody to Love" verlinkte und gleichzeitig einen Technoremix des Song darunter setzte, wie er auch heute in den entsprechenden Clubs gespielt werden könnte (wenn auch nicht in der Version, die regelmäßig z.B. im KitKat zu hören ist). Eine schnelle YouTube-Recherche zeigt, daß ganz unterschiedliche moderne Fassungen des Klassikers existieren, wobei die variierende Umdeutung oder Überschreibung alter Inhalte, Rhythmen und Melodien einerseits dazu dient, das überzeitliche, unveränderliche und allgemeine, das gleiche im verschiedenen, zu bewahren und weiterzutragen und doch die formalen, also hier: die musikalischen, Ausdrucksformen dem Geschmack der Zeit, dem aktuellen Lebensgefühl und veränderten Lebensumständen oder neuen Herausforderungen anzupassen. Die tiefere inhaltliche Botschaft z.B. über die Kraft der Liebe angesichts zunehmender Verzweiflung bleibt aber tatsächlich zeitlos:„Wenn sich die Wahrheit als Lüge herausstellt und alle Freude in dir erstirbt: Willst du dann nicht jemanden, den du lieben kannst? Brauchst du dann nicht jemanden, den du lieben kannst? Wouldn't you love somebody to love? You better find somebody to love!"Was es vor diesem ganzen Hintergrund dann bedeutet, daß eine Ausstellung über die einstige Underground- und Gegenkultur ausgerechnet in einem Kulturzentrum stattfand, das von der Deutschen Bank gegründet und gesponsert wurde, darf jeder für sich selbst beantworten. Ist es der späte und nachträgliche Versuch, die subversiven und auch kapitalismuskritischen Ideale der Love & Peace-Generation endgültig zu vereinnahmen bzw. zu entschärfen oder treten sie verspätet doch noch ihren Siegeszug selbst in einem der Zentren der globalen Finanzindustrie an? Um die Deutsche Bank soll es allerdings wirtschaftlich nicht besonders gut stehen, wie man hört, aber das wäre wieder ein anderes Thema.Die Ausstellung wurde ursprünglich vom Fine Arts Museum in San Francisco konzipiert, wo sie bereits 2017 zum 50jährigen Jubiläum des summer of love zu sehen war. Zu diesem Anlaß ist ein umfangreicher Katalog in englischer Sprache erschienen, der auch in der Berliner Ausstellung auslag und zum Blättern, Stöbern und Schmökern einlud. Man findet darin einen Großteil der oben erwähnten Ausstellungsexponate, Illustrationen und alle weiteren „Erinnerungsanker" einer untergegangenen Zeit abgebildet, deren Impulse weit in spätere Jugend- und Subkulturen ausstrahlten. Der Band ist außerdem angereichert mit Essays und erklärenden Hintergrundtexten, so daß man insgesamt eine so inspirierende wie kompakte Übersicht über die damaligen Geschehnisse in den Händen hält, als kleiner Ersatz für all jene, die die Ausstellung verpasst haben, wie auch ein Leser in einem Kommentar auf Amazon andeutet:„It was unfortunate that I couldn't make it there in 2017 and consequently I missed this exhibition. This volume makes me realise what a great exhibition it must have been. It has to be one of the best all round books on the Summer of Love. I don't think that there is anything new in it for "students" of the period but it does bring together a huge amount of information in one volume. It has given me many hours of browsing and I am sure will continue to do so."University of California Press, Illustrated Edition, Juni 2017 erschienen, in englischer Sprache, 344 Seiten, 32,51 Euro.
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