Wie
jeder weiß, handelt es sich bei der Love Parade um
eine politische Demonstration. Daß dieser Sachverhalt dennoch
häufig in Zweifel gezogen wird,liegt vor allem daran, daß die
Macher der Love Parade eher gefühlsbe-tonte Bauchmenschen
als analytische Kopfmenschen sind. Deshalb waren sie häufig
nur schlecht in der Lage, das politische Kernanliegen zu artikulieren,
das den Geist der Veranstaltung ausmacht.
Dieses Defizit hat aber auch Vorteile:
Denn anstatt sich mit der Zurschaustellung autistischer Politphrasen
zu verausgaben, wurde die Love Parade zu einem authentischen
Resonanzboden für das vorbewußte Rumoren aus dem Unterleib
der Großstadt.
Daß ausgerechnet Berlin dieses immer lauter
vernehmbare Rumoren gebar, und nicht London, Paris oder San Francisco,
ist kein Zufall.
Denn bis 1989 war Berlin geteilt:
eine paranoide Horde alter Gehirnwichser
hatte die organisch gewachsene Stadt mit Mauer, Stacheldraht &
Schießbe-fehl brutal in zwei Hälften gerissen. Am 9.November
1989 war damit Schluß:
In einer friedlichen Revolution stürmten
die Berliner den "Schutzwall" von Honeckers senilen Politbürokraten.
Und während die Menschen noch auf der Mauer tanzten, sorgten
die Mauerspechte für ihren zügigen Abriß. Binnen
kürzester Frist zu Andenken-Schotter zermalmt, wurden die Bestandteile
des unseligen Bauwerks in alle Winde zerstreut.
Wer die friedliche
Novemberrevolution von `89 in
Berlin erlebte, wird dieses Freudenfest der
Freiheit niemals vergessen.
Ohne den Fall der Mauer wäre Dr.Mottes
kühne Idee, seit 1988 auf dem Westberliner Ku`Damm eine Techno-Demo
zu organisieren, wohl allenfalls eine Episode in der Geschichte
der Stadt geblieben. Aber der Weltgeist wollte es
offensichtlich anders: Nach all den blutigen Katastrophen des
20.
Jahrhunderts war er endlich auf den famosen Gedanken gekommen,Tyrannen
nicht mehr mit Gewehren & Bomben , sondern durch laute Musik,
Tanz & Freude zu stürzen.
Das revolutionäre Potential der afrikanischen
Beats, die in den 60er Jahren von Amerika aus die Welt eroberten,
wurde sehr früh von dem tsche-chischen Schriftsteller Václav
Havel erkannt, der als Bürgerrechtler
& Dissident zu den wichtigsten Vordenkern der "Samtenen
Revolution"
von `89 gehörte. ( 1977
gehörte Havel zu den Mitunterzeichnern der Charta`77, in der
tschechoslowakische Künstler & Intellektuelle von der kommunistischen
Regierung ihres
Landes die Einhaltung der Menschen- & Bürgerrechte
forderten. Daß die Tschechen ihre friedliche Revolution als Samtene Revolution bezeichnen,
ist auch eine Hommage an die Rock Band Velvet Underground, die zu
den wichtigsten Vertretern der westlichen Gegen-kulturen der späten 60er Jahre gehörte.
Havel hält John Lennon für wichtiger als Lenin. Und nachdem
Havel Präsident seines Landes geworden war, ernannte er den
Musiker
& Sexualrevolutionär Frank Zappa zum Kulturbotschafter Tschechiens.)
Es ist sicherlich kein Zufall, daß der Ruf "Die Mauer
muß
weg!" in Ost-Berlin erstmals im Juni 1987 erscholl, als Jugendliche
mit der "Volkspolizei" anein-ander gerieten, weil sie
bei einem Rockkonzert zuhören wollten, das vor dem Reichstag
auf der anderen Seite der Mauer stattfand.
Ende der 80er Jahre war der gute alte Rock`n`Roll jedoch deutlich
in die Jahre gekommen & auf dem besten Wege, zur sentimentalen
Schunkelmusik eines frühvergreisten 68er Establishments zu
werden. Bereits damals stellten Vertreter dieser Generation die
Masse der staatsbürokratischen Amts-, Würden- & Bedenkenträger;
ihre Musik war damit zur Kultur einer herrschen-den Klasse geworden.
Die Melodien für eine rebellische Jugendkultur konnte diese
Musik deshalb allenfalls noch in einem Land wie der DDR liefern,
wo Ende der 80er Jahre noch immer Leute herrschten, die vor dem 1.Weltkrieg
geboren worden waren.
In
dieser Zeit entstand aber glücklicherweise TECHNO.
Mit seinen synthetischen Klängen
& seinem Verzicht auf "Liedhaftigkeit" spiegelte er
den Geist einer nachwachsenden Generation wieder, deren Lebenswirk-lichkeit
längst von den futuristischen Technologien der 3.Industriellen
Revolution geprägt war.
Und als Motte `88 den West-Berliner Ku`Damm für die neue Musikkultur
in Besitz nahm, lautete seine mehr oder minder bewußt formulierte
Botschaft vermutlich folgendermaßen:
" Hey, Joschka, Gerhard, Herta,
Eberhard ! Ihr seht eigentlich ganz schön alt aus..."
Mit dem Fall der Mauer entstand für die
Techno-Kultur im ehemaligen Ost-Berlin ein Eldorado, das außer
einer Vielzahl von postapokalyptischen Club-Locations auch die frenetische
Freude seiner Friedlichen Revolution zu bieten hatte.
Und ohne, daß es damals von irgendwem so recht
begriffen worden wäre, fusionierten in den Berliner Hallen &
Kellern die neue Musik und der frisch entfesselte Geist der F R E
I H E I T ! Mottes zunächst eher belanglose Love Parade erwies
sich in dieser Situation als fruchtbarer Schoß, der die immer
noch überschäumende Festfreude
der geheilten Stadt in sich aufnahm & ein Freiheitsfest
von globaler Bedeutung gebar.
1995
war die Love Parade soweit angewachsen, das sie nicht mehr länger
am Ku`Damm - ihrem Ursprungsort & dem Zentrum des ehemaligen West-Berlins
- verbleiben konnte. Nur noch die größte Straße der
vereinigten Stadt vermochte die glücklichen Massen aufzu-nehmen.
Und es scheint uns fast so, als habe sich der Weltgeist auch
hierbei wieder etwas gedacht. Denn der Name dieser Straße erinnert
an jenen Arbeiteraufstand von 1953, der der 2. Deutschen Diktatur
ein frühes Ende bereitet hätte, wäre er nicht von sowjetischen
Panzern niedergewalzt worden. Ob Zufall oder göttlicher Zeigefinger,
der neue Festort des Mysterienspiels unterstrich jedenfalls nochmals
worum es bei der Love Parade eigentlich geht:
Es geht um das Ozeanische Gefühl
der Freiheit !
Es geht um das Glück, man selbst sein zu können
und in der Wahrheit und nicht in der Lüge zu leben
!
Es geht daneben auch um das Schwinden der Angst, entweder im Atomkrieg
zu verdampfen oder im Stasi-Knast zum Psycho-Krüppel malträtiert
zu werden. Die Massen, die zur Love Parade strömen, können
dies zwar nicht unbedingt so artikulieren, sie zeigen aber deutlich,
daß sie ES FÜHLEN .
Ohne den Geist der Freiheit, der das Leben in Berlin nach wie vor
prägt, wäre das Experiment KitKatClub niemals möglich
gewesen. Die Beziehung zwischen Berlin & dem KitKatClub
trägt jedoch einen ausgesprochen symbiotischen Charakter:
Während sich die Metropole dem Club als Entfaltungsraum
zur Verfügung stellt, ist es das Anliegen der KitKat-Macher,
-Ruf & Realität Berlins als
freieste Stadt der Welt mit
Leben zu erfüllen.
Leider ist diese Freiheit nicht zuletzt bei der Love Parade gefährdet:Jener
blindwütige Kommerz,
der alle Lebensbereiche kolonisiert, hat inzwischen auch nach ihr gegriffen.
An die Stelle der anarchischen Kreativität, die ihre Anfangsjahre
prägten, sind längst die knatternden Banner der Werbewirtschaft
getreten. Astronomische Startgebühren & ein ungebremstes
Wettrüsten
um die lauteste & teuerste
Anlage sorgen dafür, daß jene sanfte Form
der Korruption Einzug
hält, die man heutzutage Sponsoring
nennt.
Wo aber multinationale Unternehmen mitsprechen dürfen, denen
das Event selbst herzlich egal ist, weil für sie nur Summe der
TV-Werbeminuten zählt, verbreitet sich rasch die Kleingeisterei
des Konformismus.
Inhalte werden so frisiert, daß sie auch noch ins Kinderprogramm
passen. Anstößige Clubs, Lebensweisen & Sponsoren
werden den Bedenken der finanzstarken Limonadenhersteller geopfert.
Dieser Trend ist tatsächlich bereits eingeleitet: Weil die Planetcom
mit Sexprodukten nicht mehr in Verbindung gebracht werden möchte,
durfte Beate Uhse, die viel für die sexuelle Aufklärung
& Entkrampfung der Deutschen getan hat, das KitKat-Mobil nicht
sponsern.
Läßt man dieser Entwicklung ihren Lauf, so wäre das
Endergebnis eine saubere & familien-freundliche Love Parade,
die sich von Disney-Land allenfalls dadurch unterscheidet, daß
statt den Micky-Mäusen Männer in Bananenröckchen winken.
Die subversive Erotik der ursprünglichen Love Parade wäre dann allenfalls noch der lange in Vergessenheit geratene
Ausgangspunkt für eine Sonderform von Folklore.
Gegen diesen Trend setzt der KitKatClub vor allem eins: einen unbedingten
Mut zur Freiheit.
Das KitKat-Mobil, mit dem wir bei der Love Parade antreten werden,
verstehen wir demgemäß als eine rollende Oase der Libertinage,
wo jede Form der Zärtlichkeit nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich
gewünscht ist. Zwar üben wir normalerweise unsere Sexualität
im Grunde nur für uns selbst aus. Um unserem Anliegen Gehör
zu ver-schaffen, machen wir es uns diesmal ganz bewußt zunutze,
daß SEX immer dann zu einer Protestform wird, wenn sich mißgünstige
oder prüde Blicke auf ihn richten.
Mit wohlüberlegter Absicht sprechen wir den bigotten Trägern
dieses Blicks das Recht ab, darüber zu befinden, welche Form
von Sexualität in der Öffentlichkeit oder sonstwo statthaft
ist !
Unsere
lustvolle Form der Freigeisterei ist auch eine Reaktion
auf einen Übergriff des staatlichen Bevormundungs-Bürokratie-Komplexes,
welcher sich während des CSD 2000 ereignet
hat. Weil zwei unserer Freunde orale Liebkosungen austauschten ,
wurden sie zur Feststellung der Personalien vom Wagen geholt. Eine
Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses droht.
Hinter diesem
Übergriff steckt ein perfides System der Machtausübung,
das auch andere Lebensbereiche durchdringt:
Durch antiquierte Gesetze
& einen
ganz und gar unübersichtlichen Paragraphen-dschungel werden
harmloseBürger systematisch kriminalisiert. Derart eingeschüchtert
lassen sie sich dann umso leichter vom staatlichen Bevormundungs-Bürokratie-Komplex entmündigen & ihrer
Rechte berauben.
Als Hinweis mag hier das Beispiel der Steuererklärung genügen:Jeder
Unterschreibende verpflichtet sich zur wahrheitsgemäßen
Auskunft, obgleich die Materie so kompliziert ist, daß selbst
Fachleute nicht mehr wissen, was steuerrechtliche Wahrheit bzw. Lüge
ist.
Wo das Vordringen von Kommerz , Konformismus & Korruption die
Freiheit immer weiter zurückdrängt, ist bald auch kein
Raum mehr für Kreativität vorhanden. Eine Gesllschaft
aber, die die nichts Neues mehr hervorbringt & sich auf kein
Risiko mehr einlassen mag, ist eine absterbende Gesellschaft, die
ihre Zukunft bereits hinter sich hat. Ein solcher Prozeß des
Absterbens ist in unserer Gesellschaft bereits durch die zügig
voranschreitende Überal-terung eingeleitet.
Durch diesen demographischen Wandel droht die ängstliche Unduldsamkeit
alter Leute zur vorherrschenden Mentalität zu werden.Die Politik
reagiert selbstverständlich auf diese Veränderung der
Nachfragestruktur. Bereits heute sind von Bundestagspädagogen & anderen
Vertretern des staatlichen Bevormundungs-Bürokratie-Komplexes
ständig
Forderungen zu hören, mißliebige Medieninhalte zu verbieten,
flächendeckend Überwachungs-kameras zu installieren, die
Karriere mßliebiger Wissenschaftler zu beenden, die Videoüberwachung
von privatem Wohnraum zu erleichtern, etc.
Eine wichtige Vorreiterrolle bei der Errichtung eines vormundschaftlichen
Staates, der seine Bürger einerseits mit Subventionen
korrumpiert und andererseits ihrer Freiheits- und Mitbestimmungsrechte
entkleidet, spielt die Justizministerin Herta Däubler-Gmelin.
Unter Hinweis auf neo-nazistische Hetze im Internet versucht sie,
Gummiparagraphen zu installieren, mit denen sich am Ende jeder mißliebige
Medieninhalt verbieten läßt. Auf internationaler Ebene
will sie einen Wertekonsens durchsetzen, auf dessn Grundlage "die
Verbreitung menschenverachtenden Hasses strafrechtlich unter-bunden"
werden soll. Was alles unter "menschenverachtendem Haß"
verstanden werden kann und nach Meinung von Frau Däubler-Gmelin
wohl verboten werden sollte, kann man Alice Schwarzers Emma entnehmen.
Als begnadete Strippenzieherin hat Alice Schwarzer bereits vor zwei
Jahren ein "Frauenbündnis" Bonner PolitarbeiterInnen
formiert, dessen Hauptanliegen die Durchsetzung eines neuen Porno-Gesetzes
ist. Das "Frauenbündnis" formuliert dabei folgende
Argumentationskette:"Pornographie ist auch sexualisierter Frauenhaß.
(...) Darum muß Frauenhaß - ganz wie Fremdenhaß
- geächtet & bekämpft werden." Daß hier
ein Anschlag auf die gesamte moderne Kultur vorbereitet wird, belegen Emma-Artikel,
in denen die Bücher von Henry Miller und
andere zentrale Werke der Weltliteratur mit dem prüden Blick
der pseudo-feministischen Sexualfeindschaft gelesen und als Aufstachelung
zum Frauenhaß gebrandmarkt werden.
Ideologische Grundlage für diesen Angriff auf die Freiheit ist
ein behaviouristisches Menschenbild, das von der beliebigen Prägbarkeit
des Menschen ausgeht. Wer so denkt, ist schnell damit bei der Hand,
Mitmenschen, die ausgefallene Vorlieben oder Meinungen haben, als
psychisch defekt abqualifizieren. Auf der Basis eines solchen Denkens
läßt sich dann nur allzu leicht die Erziehungsdiktatur einer
angeblich aufgeklärten und psychisch-gesunden Herrscherklasse
über Massen von vorgeblich neurotischen und rückständigen
Mitmenschen organisieren.
Zu diesem Trend paßt es, daß in der politischen Rhetorik
unseres LAndes vom mündigen Bürger schon
lange keine Rede mehr ist, dafür aber von "den Menschen",
die in verschiedener Weise betreut, subventioniert, therapiert, gefördert
oder gleichgestellt werden müssen.
Die banale Tatsache, daß Menschen von Natur aus höchst
unterschiedlich sind, paßt den Normophaten des staatlichen & klerikalen
Bevormundungs-Bürokratie-komplexes nicht
ins Konzept. Ihr Ziel ist eine gleichgeschaltete Masse von domestizierten
und harmoniesüchtigen Tele-Tubbies, die sich mühelos in
die schöne neue Welt eingliedern lassen, an der die
Bundestagspädagogen
in trautem Einvernehmen mit den Konzernstrategen der MacWorl basteln.
Was dabei bestenfalls herauskommt, kann man am Potsdamer Platz besichtigen:
Genormte Vergnügungsstätten und genormte Waren sollen Menschen
zerstreuen, deren Geschmacksentwicklung bei den banalen Vorlieben
des Kinderzimmers hängengeblieben ist.
Wenn man unter lebendiger Kultur die oft schmerzliche Auseinander-setzung
mit zentralen Fragen des Menschseins versteht, und wenn Kunst
ein wagemutiges Balancieren über Abgründen ist,
dann gibt es am Potsdamer Platz zwar viel Kommerz, aber eben weder
Kunst noch Kultur.
Für
die Kultur, die das Leben in Berlin seit 1989 so vorteilhaft geprägt
hat, sind in der Tat auch nicht die Marketing-Strategen der Konzerne
oder die diversen Kulturbürokraten, -minister und -senatoren
verantwortlich, sondern die FREIEN Geister, die in
der jungen Club-Szene der Stadt ihren Entfaltungsraum
gefunden haben.
Subkulturelle Clubs schaffen eine künstlerische &
politische Gegen- öffentlichkeit, die all jenen ein
Forum bietet, die sich nicht von den Mechanismen des etablierten
Kunst- und Meinungsmarkts vereinnahmen lassen wollen. Sie sind außerdem
eine Spielwiese für soziale und psychologische
Experimente.
Sie stellen einen Raum zur Verfügung, in dem mit der eigenen
Sexualität authentische Erfahrungen gesammelt werden können.
Indem sie das probeweise Austesten von Identitäten erlauben,
tragen sie dazu bei, daß sich Menschen in ihrer ganzen Vielschichtigkeit
anzunehmen lernen. Bildmedien, Werbewirtschaft und Modebranche wissen
sich dies zunutze zu machen, die glitzernde Welt des Nachtlebens ist
für sie ein unerschöpflicher Bilder- und Ideenlieferant,
ohne den die sogenannten Kreativen schon lange auf dem Trockenen säßen.
Zur
Entfaltung von wirklicher Kreativität ist die autonome & selbstfinan-zierte Kunstsphäre
des Nachtlebens gerade
in Berlin bitter notwendig. Denn mit ihren akademisch -geschulten
Diplomkünstlern und ihrer undurch-sichtigen Subventions- und
Gremienkultur reproduziert die offiziöse Kultur-szene
der Stadt schon seit Jahren nichts anderes mehr als die
immer gleichen Klischees der Brecht`schen Kapitalismuskritik. Um
das gelangweilte Publikum dennoch bei der Stange zu halten, werden
in die Handlung häufig ein paar neckische Perversionen eingestreut.
Weil sich der bürgerliche Kunstkonsument aber nicht einmal
vor sich selbst zu seinem Voyeurismus
bekennen mag, wird abnorme Sexualität stets als kultupessimistische
Metapher für den unaufhaltsamen Untergang von irgendwelchen
einstmals idyllischen Abendländern präsentiert.
Warum dies so ist, wird deutlich, wenn man die Sphären Kunst
und Politik einer marxistischen Klassenanalye unterzieht.
Dazu braucht man nur die Frage zu stellen, wie das Gegenmodell zu
der vom
Subventionstheater beständig verteufelten Marktfreiheit aussieht.
Dieses Gegenmodell ist das Ideal einer allmächtigen, allwissenden
und allgültigen Umverteilungsbürokratie, die alle Gerechtigkeitslücken
schließt und dabei natürlich auch die Kulturschaffenden
nicht vergißt. Durch Kultursubventionen verschaffen sich die
Exponenten des staatlichen Bevormundungs-Bürokratie-Komplexes
also einen Resonanzboden, der einer beständigen Expansion der
diffusen Umverteilungs-, Kontroll- und Erziehungsbürokratien
das Wort redet.
Die
Phrasen des Brecht`schen Kulturpessimismus liefern für das
natürliche
Expansionsstreben der Bürokraten genau die richtige Begleitmusik.Denn
im Refrain wird stets gemahnt, daß die Apokalypse über
Stadt und Weltkreis käme, wenn die wackeren Helden des Bevormundung-Bürokratie-Komplexes
nicht länger dafür Sorge tragen würden, daß die
Rede-, Markt- , Kultur-, Wissenschafts-, Sex- und Pornographiefreiheit
auf ein "sozialverträgliches" Mittelmaß reduziert
bleibt. Die Schläge, die die Verwaltung mit immer neuen
Vorschriften und Verordnungen gegen jene Lebensbereiche führt,
die noch nicht völlig vom staatlichen Bevormundungs-Bürokratie-Komplex
überwuchert sind, erscheinen aus dieser Perspektive als heilsame
Eingriffe einer quasi-göttlichen Instanz in eine insgesamt
leider doch etwas mißratenen Schöpfung.
Und wo trotz aller hoheitlichen Planungsbefugnis doch noch ein natürliches
Unkraut zu wachsen wagt, da ersinnt der staatsbürokratische
Landschafts-gärtner
und Denkmalpfleger rasch das geeignete Paragraphen -DDT,um auch diesem
Wildwuchs das Lebenslicht auszublasen.
In der so geschaffenen Ödnis können dann nur noch die genormten
Vergnügungsstätten der Großanbieter gedeihen.
Den von der staatsbüro-kratischen Regulierungswut geschaffenen
Kostendruck fangen diese nämlich mit einer genormten Massenproduktion
auf, die von Tokio bis Johannnesburg und von Alaska bis Patagonien überall
gleich schmeckt.
Leider
sehen wir großen Anlaß zu der Befürchtung, daß sich
der Angriff des staatlichen Bevormundungs-Bürokratie-Komplexes
auf die Freiheit in den nächsten Jahren wieder erheblich
verschärfen wird.
Der Grund dafür ist im demographischen Wandel und der damit
einher-gehenden Rentenkrise zu suchen. Beide Entwicklungen sind
nämlich das ureigene
Werk einer Politik, die seit Jahren die gegenwärtigen Konsum-interessen
von Klientelgruppen auf Kosten von Zukunftsinvestitionen subventioniert.
Daß derlei Großzügigkeit einen hohen sozialen Preis
hat, wird unter anderem daran deutlich, daß in Deutschland
mittlerweile 10% der Kinder in der Sozialhilfe aufwachsen und
in unserem Land die Familien-gründung längst zum wichtigsten
Armutsrisiko geworden ist. Für die sozialen Kollateralschäden
ihrer Politik brauchen die Vertreter der politischen Klasse dringend
Sündenböcke, die
z.B. für eine steigende Jugendkriminalität haftbar gemacht
werden können. Mit Kampagnen gegen "gemeingefährliche
Pornographen" und der Warnung vor "apokalyptischen Gefahren
aus dem Internet" können die Bundestagspädagogen dann
medienwirksam beweisen, daß sie "die Sorgen
und Ängste der Menschen ernstnehmen".
Mit derlei Hexenjagden lassen sich dann gleichzeitig die wahren Probleme
aus dem öffentlichen Bewußtsein tilgen, was wiederum im
Interesse der politischen Klasse liegt, die sie verursacht hat.
Johannes Rau, der -nebenbei bemerkt- mit seinem frömmelden
Habitus unangenehm an die US-Fernsehprediger erinnert, hat bereits
gefordert, daß die Rente kein Thema für Wahlkämpfe
sein dürfe. Das Politikverständnis, das hinter solchen
Aussagen steht, ist alles andere als demokratisch. Denn warum
sollen mündige
Bürger eigentlich nicht an den Wahlurnen über zentrale
Zukunftsfragen entscheiden ?
Weil
also in unserer Republik der Marsch in den "vormundschaftlichen
Staat" bereits begonnen hat, nutzt der KitKatClub die
Love-Parade, um ganz entschieden gegen die scheibchenweise
Zerstörung von Freiheit, Kreativität & Vielfalt zu
demonstrieren.
Als
Repräsentanten der Nachtkultur fordern wir für diese
nicht die Gleichstellung mit der offiziösen Subventions-kultur,
sondern lediglich die gesellschaftliche Anerkennung für
ihre Rolle als innovativste & kreativste Kraftwerke der
Gegenwartskultur.
Statt Staatsknete wollen wir das Recht, in unseren Clubs subkulturelle
Lebensweisen frei von bürokratischen Behinderungen & weltfernen
Verordnungen entfalten zu dürfen.
Gerade die Berliner Lokalbürokraten müssen endlich begreifen,
daß es unsere Aktivitäten sind, die den Ruf unserer Stadt
als Welthauptstadt der subversiven Avantgardkulturen begründen.